Open Air Filmscreening
States of Fragility
21.8., 20:00
Eintritt frei

Mit Filmen von Factory of Found Clothes (FFC), Eva Giolo, Sky Hopinka, Yeo Siew Hua, Pauline Curnier Jardin, Hannes Lang, Alice Rohrwacher & JR und einer Einführung der Kuratorin Katherina Perlongo

Während der sommerlichen Schließzeit lädt das KINDL zu einem Filmprogramm unter freiem Himmel ein, das sich künstlerisch und thematisch fragilen Zuständen widmet. Unter dem Titel States of Fragility wird eine kuratierte Auswahl von sieben Kurzfilmen zeitgenössischer, internationaler Künstler*innen und Regisseur*innen gezeigt. Die Filme erzählen von Verwandlung und Veränderung, von dem natürlichen Zyklus von Leben und Tod und dem rituellen Dazwischen. Sie beschwören Mythen, Ahnen und traditionellen Glauben und berichten von einer verletzlichen Welt und der Fragilität von Ökosystemen. Dabei beziehen sich einige Filme auf reale Ereignisse und entwickeln daraus eine Erzählung, während sich andere über Bildmontagen und die Erschaffung von Atmosphären entfalten. Das Thema der Fragilität und seine weitreichenden Facetten liegt allen Filmen zugrunde.

Pauline Curnier Jardin, Explosion Ma Baby (2016, NL / IT / FR, 9:12 Min.)

In Explosion Ma Baby geht die Künstlerin Pauline Curnier Jardin einer jährlich im Süden Italiens stattfindenden Prozession zu Ehren des Heiligen Sebastians nach. Bilder eines Feuerwerks und Konfettiregen erzeugen zusammen mit Trommelwirbeln Sequenzen von rauschhaft-atmosphärischer Intensität. Männer halten der Skulptur des Heiligen, der seit der Renaissance auch als queere Ikone verehrt wird, nackte, kreischende Säuglinge entgegen. Geld und Babys nehmen als Symbole des Lebens und der Macht an diesem Ritual der Männlichkeit teil. Die Bildfolgen erzählen von einer ausgelassenen Gegenwart, die sich mit altem Glauben verbindet, das Sakrale trifft auf das Profane und in der Extravaganz dieses katholischen Ritus verschwimmen die Grenzen zwischen Leben, Eros und Tod.

Factory of Found Clothes (FFC), Triumph of Fragility (2002, RUS, 5:03 Min.)

Triumph of Fragility des Künstlerinnenduos Factory of Found Clothes (FFC) (Gluklya (Natalia Pershina) und Tsaplya (Olga Egorova), 1995–2012) dokumentiert eine Performance, die in den Straßen von St. Petersburg kurz nach der Machtübernahme von Vladimir Putin stattfand und die von Macht und Autorität getriebenen Hierarchien in der russischen Gesellschaft reflektiert. Zu sehen ist eine Truppe von auszubildenden Marinesoldaten, die im Gleichtakt voranschreiten und dabei schneeweiße Miniaturkleider vor ihrer Brust halten. Der Film benutzt die gängigen Stereotypen männlicher Macht und weiblicher Schwäche und nimmt eine Umdeutung vor. Die Szene wird zu einer absurden Umkehrung militärischen Drills und entwaffnet die Idee des starken soldatischen Körpers als Konstrukt.

Alice Rohrwacher & JR, Omelia Contadina (2019, IT / FR, 9:53 Min., Italienisch mit englischen Untertiteln) 

Die Regisseurin Alice Rohrwacher inszeniert im Film Omelia Contadina gemeinsam mit dem Fotografen und Street-Art Künstler JR und den Bewohner*innen der Alfina-Hochebene in Italien ein Beerdigungsritual. Zu Grabe getragen werden überlebensgroße Fotografien von Bauern und Bäuerinnen, getrauert wird um Biodiversität und um einen ganzen Berufsstand. Der Film ist den schwierigen Lebensumständen der Landwirt*innen dieser italienischen Region gewidmet, gedenkt der Jahrtausende alten Agrikultur und will vor ihrem Verschwinden und den damit verbundenen Folgen warnen.

Yeo Siew Hua, An Invocation to the Earth (2020, SGP, 16:10 Min., Malaiisch mit englischen Untertiteln)

An Invocation to the Earth des Regisseurs Yeo Siew Hua entstand 2019, als die Wälder Indonesiens von Großbränden heimgesucht wurden. Der Film wurde im tiefen tropischen Regenwald Südostasiens gedreht. Darin werden anhand einer Reihe von Beschwörungsformeln die Geister uralter Tiere, des Kancil (Mäusehirsch) und des Buaya (Krokodil), heraufbeschworen. Sie wollen sich für die Zerstörung ihres Lebensraumes rächen und bringen dies in einem furiosen Tanz zum Ausdruck. Der Film ist den ermordeten Umweltschützer*innen Südostasiens gewidmet, all jenen Aktivist*innen, die sich gegen illegalen Holzschlag, zerstörerischen Bergbau oder korrupter Agrarindustrie formieren.
 
Eva Giolo, Flowers Blooming In Our Throats (2020, IT / BE, 8:37 Min.)

Flowers Blooming In Our Throats der Künstlerin Eva Giolo erzählt von einer aus dem Gleichgewicht geratenen Welt. Der Film ist kurz nach dem ersten, durch die weltweite Covid-19 Pandemie verursachten Lockdown entstanden und setzt sich aus sich wiederholenden Bildsequenzen zusammen. Die gefilmten Bewegungen und Gesten bleiben symbolisch mehrdeutig: Hände versuchen zu stützen oder zu entkommen, aber auch zu greifen und zu schlagen. Unbehagen und Anspannung machen sich breit sowie das aus dieser Zeit kollektiv erlebte, allgegenwärtige Gefühl der Beklemmung.

Sky Hopinka, Anti-Objects, or Space Without Path or Boundary (2017, USA, 13:05 Min., Englisch und Chinuk Wawa mit englischen Untertiteln) 

Im Film Anti-Objects, or Space Without Path or Boundary fängt der Künstler Sky Hopinka Bilder aus Gebieten in Oregon und Washington ein, die lange Zeit die Heimat der Chinookan-Völker im pazifischen Nordwesten der Vereinigten Staaten waren. Hopinkas Bilder werden von Tonaufnahmen von Wilson Bobb begleitet, einem älteren Bewohner des Grand Ronde Reservats, der zu den letzten überlebenden Sprechern des Chinuk Wawa gehörte, als er von dem Anthropologen Henry Zenk in den frühen 1980er Jahren aufgenommen wurde. Hopinka versteht die Sprache als untrennbar mit ihrer Umgebung verbunden. Der Titel des Films ist von Texten des Architekten Kengo Kuma inspiriert und legt nahe, alles als „miteinander verbunden und verflochten“ zu betrachten.

Hannes Lang, Riafn (2019, DE, 29 Min.)

Über einen Sommer lang begleitete der Regisseur Hannes Lang Alpenbewohner*innen, die im Laufe ihres Lebens eine persönliche Form des Rufens entwickelten, das über große Entfernungen durch Berge und Täler tönt. Unter Berücksichtigung des Windes, der Bergwände und der Höhenunterschiede gelingt es diesen Menschen über viele hunderte Meter entfernt miteinander zu kommunizieren. Sein Film Riafn porträtiert diese Menschen, die in enger Verbindung mit den Phänomenen der Natur leben. Der flüchtige Moment des Sich-Zurufens wird hier zum sinnlichen Erlebnis.

Kuratorin: Katherina Perlongo